Die Wegzugsbesteuerung in Deutschland
- Zuletzt aktualisiert am Dienstag, 11. Februar 2025 11:38
- Geschrieben von Rike Füllgraf
Die Wegzugsbesteuerung ist ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Steuerrechts, der Personen betrifft, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen und dabei bestimmte Kapitalbeteiligungen halten. Sie ist im § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) und § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt und dient dazu, den Wertzuwachs dieser Beteiligungen, auch bekannt als "stille Reserven", zu besteuern. Seit dem 1. Januar 2025 greift auch der neue § 19 Abs. 3 des Investmentsteuergesetzes (InvStG), der die Wegzugsbesteuerung auf bestimmte Investmentfondsanteile erweitert.
Im Folgenden erhalten Sie einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Regelungen
Was ist die Wegzugsbesteuerung?
Die Wegzugsbesteuerung erfasst nicht realisierte Wertsteigerungen von Kapitalbeteiligungen, wenn eine Person Deutschland verlässt und dadurch das deutsche Besteuerungsrecht endet. Dies geschieht durch einen fiktiven Veräußerungsgewinn, der unabhängig von einem tatsächlichen Verkauf berechnet wird. Ziel ist es, die Besteuerung dieser stillen Reserven in Deutschland sicherzustellen, bevor der Steuerpflichtige ins Ausland zieht.
Gesetzliche Grundlagen
- § 6 Abs. 1 AStG: Stellt klar, dass die Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts als Veräußerung der Anteile gilt.
- § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG: Betrifft Personen mit mindestens 1 % Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.
- § 19 Abs. 3 InvStG: Erweiterung auf Investmentfondsanteile, wenn diese nicht im Betriebsvermögen gehalten werden.
Wer ist betroffen?
Betroffen sind Personen, die:
1. Wesentliche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften besitzen, das heißt mindestens 1 % der Gesellschaftsanteile halten, oder
2. Investmentfondsanteile, die sich nicht im Betriebsvermögen befinden, besitzen, sofern:
- Diese mindestens 1 % der Anteile an einem Fonds innerhalb der letzten 5 Jahre umfassen oder
- Die aktuellen Anschaffungskosten der Investmentfondsanteile mindestens 500.000 € betragen.
3. Innerhalb der letzten 12 Jahre mindestens 7 Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland waren (§ 6 Abs. 2 AStG).
4. Und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt dauerhaft ins Ausland verlegen.
Nicht betroffen sind Steuerpflichtige, die vorübergehend ausreisen und eine glaubhafte Rückkehrabsicht innerhalb von 7 Jahren (auf Antrag bis zu 12 Jahren) nachweisen können (§ 6 Abs. 3 AStG).
Wie wird die Steuer berechnet?
Die Steuer wird auf Grundlage eines fiktiven Verkaufs der Anteile ermittelt. Hierbei schätzt das Finanzamt den Wertzuwachs, der seit dem Erwerb der Anteile entstanden ist. Ein Beispiel verdeutlicht dies:
1. Schätzung des Unternehmenswerts:
Durchschnittlicher Jahresgewinn der letzten 3 Jahre × Faktor 13,75.
2. Ermittlung des Wertzuwachses:
Kaufpreis der Anteile wird vom geschätzten Wert abgezogen.
3. Besteuerung gemäß Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG):
Nur 60 % des Gewinns werden mit dem persönlichen Steuersatz (max. 45 %) besteuert.
Beispielrechnung:
Jahresgewinn: 100.000 € → Unternehmenswert: 1.375.000 €.
Kaufpreis der Anteile: 375.000 €.
Wertzuwachs: 1.000.000 €.
Steuerlast: 270.000 € (60 % von 1.000.000 € × 45 %).
Hinsichtlich der Investmentanteile ist der gemeine Wert maßgebend (fiktiver Verkaufspreis unter Marktbedingungen).
Kritik und rechtliche Herausforderungen
Die Verschärfungen werfen Zweifel zur Vereinbarkeit mit dem EU-Recht auf. Art. 21 und 45 AEUV garantieren Freizügigkeit innerhalb der EU/EWR.
Es bleibt abzuwarten, ob die Regelungen, und vor allem die Erweiterung auf Investmentfonds, Bestand haben werden.
Wie kann die Wegzugsbesteuerung vermieden werden?
Eine vollständige Vermeidung der Wegzugsbesteuerung ist nur möglich, wenn:
1. Die Anteile vor dem Wegzug verkauft werden. Dabei wird jedoch die Besteuerung des Veräußrungsgewinn über die Einkommensteuer anfallen.
2. Die Anteile übertragen werden, beispielsweise im Rahmen einer Unternehmensnachfolge oder Schenkung. Auch hierbei können Steuern anfallen.
3. Die Umwandlung der Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften.
Fazit
Die Wegzugsbesteuerung stellt eine erhebliche Hürde für Steuerpflichtige dar, die Deutschland dauerhaft verlassen möchten. Die Änderungen ab 2025 erhöhen die steuerliche Belastung zusätzlich und erschweren die Gestaltungsmöglichkeiten.
Betroffene sollten sich frühzeitig über ihre Optionen informieren und rechtzeitig professionelle Beratung in Anspruch nehmen, um steuerliche Risiken zu minimieren. Die Rechtslage bleibt dynamisch, und es ist ratsam, die weitere Entwicklung genau zu beobachten.
Von seitens unserer Kanzlei helfen wir Ihnen gern bei der Analyse Ihrer konkreten Situation, nehmen für Sie notwendige Verwaltungsakte vor und helfen Ihnen auch gern bei der Abgabe der entsprechenden Steuererklärungen. Bei Interesse oder konkreten Fragen zum Thema stehen wir Ihnen gern per Mail oder telefonisch in deutscher Sprache zur Verfügung.
Autor:
Rike Füllgraf
spanische Steuerberaterin
fuellgraf@sspartners.es
Tel: (+34) 951 12 13 06
Tel: (+34) 951 12 00 69
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